08. Bayerisch Finnland


  

(dieser Artikel ist gestern auf dem Flug von München nach Tampere entstanden)

Gerade eben war ich schon wieder am Flughafen München, zum zweiten Mal in einer Woche. Und schon wieder sitze ich in einem Flugzeug, und wie so oft, habe ich das Glück, am Fenster sitzen zu dürfen. Wenn ich zurückblicke, sehe ich, wie sich meine heißgeliebten Alpen hinter uns auftürmen. Allerdings fliege ich von den Alpen gerade weg, nord- bzw. frostwärts. Destination: Tampere, Finnland. Die Wettervorhersage am Flughafen: -19 C°, gefrierender Nebel. Mein übernächtiges, koffeingehyptes Köpfchen versucht sich gerade vorzustellen, wie gefrorener Nebel aussieht. Abgefahren. Die klimatischen Aussichten versetzen mich in ein Delirium zwischen „Geil, endlich Winter“ und „Ich hab Angst“. Spätestens Montag streife ich vorerst mal das Image von der 9-to-5-Arbeits-Vroni ab, und bin wieder Vollzeit-Sozialschmarotzerin aka Studentin im ERASMUS-Semester. Unglaublich, dass ich vor zwei Wochen noch am Büroschreibtisch bei der KAS Phnom Penh saß und mit meinen Kolleg*innen Blödsinn geredet habe. Und auch unglaublich, dass ich vor ein bisschen mehr als einer Woche noch Yoga auf Koh Phangan gemacht habe, aus Kokosnüssen getrunken, veganes Soulfood in mich geschaufelt und in diversen Meditationssessions mich wahlweise mit meinem inneren Kind, meiner spirituellen Wiedergeburt oder „energetischer Beziehungsreinigung“ beschäftigt habe. So richtig clean und entgiftet und healthy und balanced war ich nach dem Ganzen, und bin es zu weiten Teilen immer noch. Auch wenn ich mir am zweiten Tag auf Zwischenstation in Bayern gleich mal eine Erkältung eingefangen habe, und mir natürlich diverse Bierchen über den Weg gelaufen sind. Und der Veganismus im Hause Gruber mal wieder ein bisschen schwierig durchsetzbar war. (Hab von meiner Mama trotzdem ein veganes Kochbuch zu Weihnachten bekommen <3) Und jetzt? Lese ich schon die ersten wissenschaftlichen Journals über EU Lobbyismus und Co. als Vorbereitung für meine Vorlesungen an der Uni Tampere, ich Streber, ich. Und merke: Ich hab Bock, noch ein letztes Mal richtig Studentin zu sein. Ein letztes Mal, bevor’s ernst wird mit Arbeiten, sesshaft werden, der ganze Bums.


Outdoor-Selfies in Niederbayern (siehe oben) vs. Outdoor-Selfies in Tampere (siehe unten)...
 

Ein letztes Mal mir in gemütlichen Bibliotheken und Cafés jede Menge Wissen einzutrichtern und damit klugscheißen zu gehen, zu jammern, wenn ich Montags um 8 Uhr Vorlesung habe (oder einfach weiterschlafen und sagen „egal, das bring ich mir selbst bei“), noch mehr zu jammern, weil „die Klausur richtig schlecht gelaufen ist“ (und ich dann doch wieder zu den Overperformern gehöre, sehr verachtenswert), in Wohnheimpartys Bierpong zu spielen und mehrsprachig zu flirten, meinem Verdauungstrakt Mensapampe zum Sparpreis zuzuführen, Kapuzenpullis mit Campuslogo zu tragen, Low-Budget Wochenendtrips zu planen und so weiter und so fort. Und vor allem: Ich hab richtig Bock, all das in Finnland zu tun. Passauleben 2.0 quasi (mein Ravennaleben war eher ein wunderschönes, familiäres Casa-Poggi-Leben, aber definitiv kein abgeranztes Studentenleben), aber auf baltisch halt. Ich versuch ja, nichts zu erwarten, aber ich kann’s nicht verheimlichen: Meine Erwartungen an Finnland sind sehr hoch, und meine Vorfreude ist riesengroß.

Schnee, Wald, gefrorerene Seen - erste Eindrücke von Finnland von oben!
 

Aber wie war’s denn jetzt auf Zwischenstation in Bayern? Echt schön, ehrlich gesagt! Ich hatte ein bisschen Angst, dass diese 6 Tage daheim superhektisch werden, ich wieder zu zu vielen Aktivitäten Ja und Amen sage, und dann nicht mal wirklich Zeit zum Zeug organisieren, packen, und einfach mal die Beine verstrecken und Durchschnaufen habe. Aber: Es ist eigentlich ganz easy-peasy gelaufen. Ich hab die wichtigsten Leute aus meinem näheren geographischen Umfeld getroffen und hatte mit jeder einzelnen Person eine gute Zeit. Aber alles entzerrt und entspannt. Ich hatte genug Zeit, um meine Nase in Bücher zu stecken, Orgakram zu erledigen, auszuschlafen (!), die Katzen zu knuddeln, meinen  Bruder beim Verkatertsein zu beobachten, zu kochen (Mama’s Küche = erste ernstzunehmende Küche seit meiner Ankunft in Kambodscha), und stundenlang durch die Wälder um Leberskirchen herum zu spazieren. Richtige Winter gibt es in Niederbayern ja schon seit Jahren nicht mehr, aber nach vier Monaten Asien waren die letzten Tage bei 10 C° und Sonnenuntergang um 16 Uhr schon winterlich genug für mich, wie so ein kleines Warm-Up (naja, eigentlich eher ein Cool-Down…) für Finnland. Vom Mindset her bin ich jetzt jedenfalls voll bereit, was ich vor einer Woche im tropisch-warmen Thailand noch nicht von mir behaupten konnte. Nordlichter, Rentiere, Wintersonne, trockene Hände, rote Nasen, Zwiebellook, literweise Tee, Schlittschuhe, Sauna, Eisbaden, blaue Nächte in ewiger Dunkelheit im Winter, weiße, endlose Mitsommernächte, stille, tiefblaue Seen, Wälder ohne Ende, gut gebaute, hoch gewachsene Männer (Red‘ ich mir jetzt zumindest mal so ein auf Basis meiner Stereotype. KEINE ERWARTUNGEN hab ich gesagt!)… Ich glaube, mir wird’s taugen die nächsten Monate.

 

Tschüsli Müsli,

Vroni

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