13. All you need is Tallinn (DE)
Letzten Montag hab ich mal wieder einen emotionalen Meltingpoint erreicht. Der Besuch aus Italien, bestehend aus Jil und Mathilde, war bereits wieder zurück unter der ligurischen Sonne. Und ich, nach fünf Tagen inspirierender, tiefer Gespräche, entspannender Saunasessions und viel, viel Rumgeblödel, war wieder in meinem Zimmer in Pinja und musste zusehen, wie sich der Schnee vor meinem Fenster auftürmte und es einfach FUCKING 24 STUNDEN DURCHSCHNEITE. Von meiner anfänglichen Verzauberung hinsichtlich des finnischen Winter Wonderlands ist so gut wie nichts mehr übrig. Scheiß Schnee, scheiß Eis, scheiß Kälte! Es reicht, ich und der Rest der ERASMUS-Belegschaft wollen Frühling, Sonne, Wärme, und nicht mehr jedes Mal drüber nachdenken, ob wir uns auf dem rutschigen Weg zur Uni nun den Hals brechen oder nicht. Dazu kam noch, dass ich mich momentan dank Masterarbeit sehr viel mit dem Klimawandel beschäftige, und das ist jetzt auch nicht unbedingt ein heiteres Gänseblümchen-Sommer-Sonne-Feel-Good-Thema. Also ja, Anfang letzter Woche ging es mir emotional schlecht, klassischer Nihilismus, weil die Menschheit ist ja eh am Ende und so. Wie kommt man also aus so einem Loch wieder raus? Schwer zu sagen. Eine Mütze voll Schlaf war schon mal ganz hilfreich, Sport (gesegnet sei die Annika, weil sie mich regelmäßig ins Pump-Workout schleppt) sogar noch hilfreicher, und meine Solo-Reise nach Tallinn letztes Wochenende hat nochmal das letzte Fitzelchen Vronal aus dem düsteren Mindset rausgezogen. Wie kam's?
Tja, die estnische Hauptstadt ist halt einfach nur Zucker. Die letzte europäische Stadt mit historischem Zentrum, die ich besucht habe, war Landshut irgendwann letzten Sommer. Und Landshut, naja, kenn ich in- und auswendig. Dementsprechend war es eine richtige Wohltat, durch die verwinkelten mittelalterlichen Gässchen Tallinn's zu schlendern, grünes Gras (!) zu betrachten, das Gesicht in die Sonne zu halten, sich mal wieder einen Besuch im Restaurant zu gönnen, im Café lesen, ein bisschen arbeiten und generell auf Chillax-Modus umzuschalten. Die geographische Nähe zu Russland und die Sovietvergangenheit waren übrigens deutlich spürbar in Tallinn. Viele Menüs, Schilder usw waren um russische Übersetzungen ergänzt. Politisch gesehen war die Unterstützung für die Ukraine zum Glück jedoch überdeutlich in der ganzen Stadt sichtbar. Gefühlt überall hing eine ukrainische Flagge, und bei meinem Hostel um die Ecke waren Schilder angebracht, in denen die russische Invasion verurteilt wurde. Das ein oder andere Haus mit der russischen Flagge auf dem Balkon habe ich jedoch auch gesehen... Das Baltikum ist definitiv eine spannende Ecke auf dieser Welt.
Ein paar Tage alleine zu verreisen ist einfach nur purer Balsam für mich. Und Tallinn war dafür die perfekte Destination: Schön anzusehen, nicht zu groß, nicht zu klein, historische Altstadt, aber auch ein Hipsterviertel in einem ehemaligen Industriegebiet, viele süße Cafés, extrem gute Schokolade (eine estnische Spezialität) und generell sehr liebenswerte und aufgeschlossene Leute. Definitiv empfehlenswert! Und nein, alleine heißt nicht einsam. So hatte ich endlich richtig viel Zeit, um mal wieder mit Deutschland (bzw. in Steffi's Fall mit Australien) zu telefonieren. Und eine coole neue Freundschaft mit einem Mädchen aus meinem Hostel habe ich auch geknüpft! Das finde ich so schön am Alleine Reisen: Man klickt mit Menschen, mit denen man wahrscheinlich gar nicht ins Gespräch kommen würde, wenn man mit Freund*innen oder Partner*in unterwegs wäre.
Ich hatte also eine wunderbare Zeit letztes Wochenende - und seit meiner Rückkehr kündigt sich nun endlich der Frühling in Tampere an. Wird höchste Zeit! Die Tage hier sind schon sehr, sehr lang, mittlerweile wird es erst nach 20 Uhr dunkel, und die Sonne wird auch langsam stärker. Der Schnee hält sich allerdings noch hartnäckig, da es in der Nacht nach wie vor unter 0 C° hat. Aber wir sind jetzt alle schon wieder etwas zuversichtlicher. Gleichzeitig neigt sich das Semester dem Ende zu. Die Zeit ist rasend schnell vergangen! Ich habe Mitte Mai noch zwei Abgaben, aber wahrscheinlich werde ich damit schon früher fertig. Und so schön es in Finnland ist mit all der Natur, dem Saunalifestyle etc.: Ich freue mich wieder auf südlichere Breitengrade. Darum wird's nach den letzten Uni To-Dos für mich heißen: Ab in den Süden, und zwar mit dem Zug. Ich werde zum ersten Mal mit dem Interrail-Ticket unterwegs sein und freu mich schon ganz irrsinnig darauf. Eine genaue Rückreiseroute habe ich mir noch nicht überlegt, aber das kommt schon noch auf. Die Vorfreude ist groß. Gleichzeitig wird es mal wieder echt schwierig zu sein, sich von allen zu verabschieden. Und ich kann es mir noch gar nicht vorstellen, plötzlich nicht mehr tagtäglich meinen Lieblings-Mitbewohner*innen über den Weg zu laufen (auch wenn ich die Küchensituation definitiv nicht vermissen werde ;) ).
Über Ostern bekomme ich schon wieder Besuch, dieses Mal von Kristina. Wir werden für zwei Tage nach Pori ans Meer fahren und ansonsten das übliche Tampere-Touri-Programm durchziehen. Freu mich schon drauf! Jetzt gerade bin ich allerdings ein etwas degeneriertes Säugetier. Denn wie es halt so passiert in ERASMUS, war ich gestern feiern, und bin um 6 Uhr besoffen heimgekommen. Aber immerhin haben wir gestern ein paar interessante (ähm) finnische Bekanntschaften geschlossen. Eigentlich wollte ich es gestern gemütlich angehen lassen, aber mei. Ich arbeite also passend zum Karfreitag gerade an meiner Auferstehung. Es wär so toll, jetzt eine Brez'n mit Mama's selbstgemachten Kartoffelsalat essen zu können und mit meinem Bruder und Paulchen zu Trash-TV auf der Couch vor mich hinvegetieren zu können... Naja, man kann halt nicht alles haben.
In diesem Sinne Küssli aufs Nüssli und frohe Ostern,
Vroni






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