15. CHA CHA CHA (DE)
Finnland hat es mir absolut nicht leicht gemacht, zu gehen. Seit Wappu ist das Wetter nahezu durchgehend Bombe gewesen, und vor allem die letzten Tage hieß es: T-Shirt Wetter! Diese letzte Woche in Tampere war ich irgendwie unzerstörbar - ich hatte richtig, richtig viel Energie. Sowohl körperlich, emotional als auch mental. Es fühlt sich immer noch wie eine Lawine an wunderschönen Erlebnissen an, unter der ich gerade begraben liege und irgendwie versuche, mich rauszubuddeln, um zu sehen, was eigentlich passiert ist. Seit es Frühling in Finnland ist, fühlen sich die Tage an, als hätten sie mehr als 24 Stunden - geschuldet zum einen natürlich der Tageslänge, zum anderen der Erlebnisdichte.
Untermalt wurde diese letzte Woche in Finnland jedenfalls von EINEM Lied, nämlich dem finnischen Beitrag zum Eurovision Song Contest. CHA CHA CHA halt. Der Song hat das ganze Auslandssemester geprägt, aber in den letzten Wochen war Käärijä's shirtless-neongrüne Performance wirklich omnipräsent. Das wurde Annika, Dani, Jeannette, Thomas und mir insbesondere bewusst, als wir am Freitag, am Tag vorm ESC (und vor unserem Staffellauf dort!), in Helsinki angekommen sind: CHA CHA CHA Ballons, Statuen, bekleidet mit Käärijä's Signature Outfit, und klar, der Song wurde überall gespielt, gesungen, geklatscht, gesummt. Da Annika und ich eine ausgeprägte Leidenschaft dafür haben (Ballermann)-Hits (HELIKOPTER 117!) vor uns hin zu trällern (zum Leidwesen vom Thomas), wurde Cha Cha Cha ganz schnell unsere Staffellauf-Hymne. Und hat gaaanz bestimmt (neben Dani, unserem Multifunktions-Fanboy) dazu beigetragen, dass das Team Waste of Make-Up so gut abgeschnitten hat! Wir sind alle vier wirklich top Zeiten gelaufen. Ich habe die Marathon-Atmosphäre sehr genossen und bin daher jetzt sehr motiviert, dieses Jahr noch mich für einen Halbmarathon anzumelden. Mein Fitnesslevel ist seit Finnland on fleek, das muss genutzt werden. :D Naja, zurück zu CHA CHA CHA. Nach einem tollen Freitag und Samstag in Helsinki (unser Air BnB hatte eine saubere, gut ausgestattete Küche! Flauschigen Teppichboden!! Funktionierende Geräte!! Scheren mit Plastikcovern!!!) sind wir zum ESC-Gucken zurück nach Tampere gefahren. Public Viewing in Tampere ist diese Tage hervorragend möglich, da dort momentan die Eishockey-WM stattfindet und die ganze Stadt seitdem eh Kopf steht und alles darauf auslegt, ein geniales Fan-Erlebnis zu ermöglichen. Für den Sieg beim ESC hat es bekanntermaßen ja nicht gereicht - aber die Gehirnwäsche mit CHA CHA CHA hielt trotzdem weiterhin an.
Halbwegs ausgeschlafen haben Jeannette und ich am Sonntag noch ein letztes Mal (zumindest für mich das letzte Mal, Jeannette, die Glückliche, bleibt noch etwas in Finnland) die Suolijärvi-Sauna besucht. Bei frühsommerlichen Temperaturen. Die Sauna ist daher auch etwas in den Hintergrund gerückt, zugunsten von Badegängen im See (lauschige 10 C° Wassertemperatur) und Relax-Einheiten auf dem Holzsteg in der Sonne, mit Blick auf den finnischen Wald (der eine ähnliche Farbe wie Käärijä's Top hat, also sind wir damit schon wieder beim Thema CHA CHA CHA). Urlaubsfeeling pur. Abends in der Pinja-Küche hieß es dann: German-speaking Dinner für die Wasties! Naja, eigentlich war es ein österreichisches Dinner, wir haben Kaspressknödel und Kaiserschmarrn kredenzt. Garniert mit Ballermannhits und zwei (ironisch) dazu abgehenden Maniacs, aka Annika und mir. Haben noch weitere Fans dazugewinnen können, siehe Video. Und natürlich wurde auch wieder CHA CHA CHA angehört!
Damit aber nicht genug, nach dem Dinner ging es nochmal raus zum Sonnenuntergang am See... Und es war der bisher schönste Sonnenuntergang, den ich in Finnland erlebt habe. Nicht nur von der Optik her, sondern auch, weil die Wasties dabei waren. Wir waren alle ziemlich überdreht (Zuckerschock vom Kaiserschmarrn), haben einfach nur rumgeblödelt, rumgeturnt, Steine ins Wasser geflippt, nur Unsinn veranstaltet und das innere Kind somit glücklich gemacht. :) Es waren sehr befreite, schwerelose und unvergessliche Momente an diesem Abend, die zum Glück fotografisch festgehalten wurden. Diese Tage haben sich ein bisschen angefühlt wie die Tage nach dem Abi, als alle aus dem Jahrgang noch täglich zusammen waren und gefeiert haben, bevor man in alle Welt verstreut wird. Aber halt mit ein paar Jahren mehr Lebenserfahrung als im Vergleich zur Abizeit. Ich war die erste aus der Gruppe, die Tampere verlassen hat, und im Laufe der nächsten zwei Wochen wird sich auch der Rest auf den Weg machen. Wir werden uns wiedersehen, das ist klar. Aber der Abschied von diesem täglichen Miteinander fällt mir unglaublich schwer... Tja, der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Und nun gestern der letzte Tag. Wieder so intensiv. Ein letzter Morgenlauf. Zum ersten und zum letzten Mal Yoga an der Promenade. Lunch in der Mensa, noch ein bisschen Bürokratie in der Bib erledigen. Zuhause warten der gepackte Koffer und ein Zimmer, dem ich während der letzten Monate zumindest versucht habe, ein bisschen meiner Persönlichkeit einzuhauchen. Gestern habe ich mein Pinja-Zimmer entkernt und es zurückversetzt in seinen vroni-losen, neutralen Hotelzimmerzustand. Irgendwie ist die 413 in Pinja aber gefühlt immer noch mein Zimmer. Und wird es in meinem Kopf wohl noch einige Zeit bleiben. Ich musste gestern tagsüber bereits schon mehrmals mit den Tränen kämpfen, aber ich habe mich immer wieder in den aktuellen Moment hineinversetzt. Abends dann nochmal ausgehen, in eine Bar zum Public Viewing. Eishockey, Finnland gegen Schweden. Rache an den Schweden, die uns und CHA CHA CHA den ESC Sieg "geklaut" haben? Schon ein bisschen. Hat leider nicht geklappt, Finnland hat auch im Eishockey gestern verloren. Vom Spiel habe ich letztendlich aber gar nicht so viel mitbekommen, es war aus vielerlei Gründen eher nebensächlich für mich. Und außerdem sind Jeannette und ich eben noch zum Sonnenuntergangsschwimmen gegangen. Was wunderschön und belebend war! Das Wasser war natürlich eisig, aber es war so schön, nach dem Schwimmen nachzuspüren, wie sich der Körper selbst wieder erwärmt, und dabei den Sonnenuntergang zu bestaunen. Ich war überglücklich in diesem Moment, als ich letzte Nacht im Bikini auf einer Holzbank gelegen bin, aufs Wasser geschaut habe und einfach alles perfekt war. Und am Horizont sich gleichzeitig immer deutlicher der in wenigen Stunden stattfindende Aufbruch abzeichnete.
Warum jetzt schon? Jetzt, wo jeder einzelne Tag so herrlich war? Am liebsten hätte ich diese Fähre, auf der ich mich gerade befinde, gecancelt. Einfach noch ein paar Tage verlängert. Aber es hätte das Ganze nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Und Weglaufen vor Herausforderungen war noch nie mein Ding. Aber ja, es ist unheimlich, sich nach diesem Leben on the road, dass ich ja eigentlich schon seit Anfang 2022 mehr oder weniger geführt habe, wieder an das Konzept "Sesshaftigkeit" ranzutasten. Ehrlich gesagt habe ich etwas Angst davor, bei meiner Rückkehr auf das Label "Exotisch-schöner Paradiesvogel" reduziert zu werden. Denn: Ich habe wieder etwas mehr zu mir gefunden durch diese Reisen. Klingt jetzt nach einem Standard-Australien-Lisa-Satz, stimmt aber. Wie bei so vielen, haben fast drei Jahre Pandemie auch an mir ihre Spuren hinterlassen. Ich weiß, dass es mir nicht schadet. Finnland war meine Medizin, um vorsichtig wieder etwas mehr Beständigkeit einzuflößen, meine sozialen Batterien aufzuladen, weil die viel zu oft auf Anschlag gelaufen sind. Aber es gibt noch so viel zu verarbeiten, all das, was mit einer Reise nach New York über Silvester 2021/22 losgetreten wurde an Begegnungen, Abenteuern, persönlichen Learnings, akademischen Insights, emotionalen Höhen und Tiefen. Und ja, dafür braucht es wohl etwas mehr Beständigkeit, anstatt noch mehr Punkte auf die "To-Process"-Liste drauf zu häufen. Mal hinzuschauen, wenn sich was in mir regt, und mich nicht mit noch mehr äußeren Reizen zu überfluten, um davon abzulenken. Naja, und jetzt gerade regt sich in mir das Bedürfnis nach Schlaf. Und danach, ein bisschen Tagebuch zu schreiben, weil auch wenn dieser Blog eh sehr persönlich ist, gibt es doch ein paar Dinge, die mit Diskretion behandelt werden wollen. ;)
In dem Sinne bis spätersilie,
Vroni

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