17. Fin? (DE)
Ich hock grad in Landshut am Bahnhof rum. In Landshut! Niederbayern! Grad mal 20 Kilometer weg von Leberskirchen! Woah. Kann's grad noch nicht so recht fassen, dass ich während der letzten beiden Wochen langsam, aber stetig von Tampere nach Turku übers Baltische Meer nach Stockholm, dann durch Schweden hindurch und dann im Zick-Zack quer durch Deutschland Kurs Richtung dahoam genommen habe. In Begleitung von untypisch viel unnötigem Gepäck aus Finnland, welches ich während der letzten zwei Wochen einfach gar nicht mehr gebraucht habe - Wintersachen, Bettwäsche... Hab den roten Heinrich mehrmals verflucht und beschimpft, that's for sure. Für den Kontext: Der rote Heinrich ist mein Koffer, Namensgeberin Carina aka Bärchen. Quasi ein störrischer, reaktionärer & schwerfälliger alter weißer Cis-Mann, inkarniert als Koffer. Eine eher fragwürdige Reisebegleitung in puncto Rückengesundheit und mentale Balance. Wo waren der rote Heinrich und ich nun also unterwegs, seitdem wir letzten Montag die Almangrenze überschritten haben, und was haben wir erlebt?
Station 1: Ja moin! Besuch bei Krischtl, Kalil und Steffi in Hamburg
Hab ich schon mal erwähnt, dass ein Großteil meiner Reisen wahlweise um Kristina, Pauline oder Mathilde rumzirkuliert? Irgendwie sind wir ja schon so eine Art mobile Sisterhood. Dieses Mal war Kristina an der Reihe, nachdem sie mich ja schon über Ostern in Finnland besucht hatte. (In drei Wochen übrigens Mathilde und hoffentlich ganz bald wieder Pauline, sobald sie zurück in Europa ist - Bacioni nach Brasilien! <3) Kristina hatte sich extra ihren penibel durchgetakteten Arbeitsalltag so zurechtgelegt, dass sie in Hamburg vor Ort sein konnte und mich gemeinsam mit Kalil am Bahnhof abgeholt hat - wovon ich bis kurz vor Ankunft in Hamburg nichts wusste! War schon mal ein gelungener Start für meinen ersten Besuch überhaupt in Hamburg. Und ich muss sagen: Ich hab mich in die Stadt instant verliebt. Die Grünflächen, die Nähe zum Wasser, die entspannte, freundliche Art der Leute, das Gefühl, gar nicht in einer Großstadt zu sein, obwohl man ja eigentlich in einer ist, die breite Kulturszene... Am ersten Tag in Hamburg hat sich Kalil (Kristina war eingedeckt mit Arbeit) Zeit genommen, um mir die schönsten Ecken der Stadt zu zeigen, und es hat sofort geklickt zwischen mir und Hamburg. Gleichzeitig hat mich dieses komische Gefühl begleitet, mental noch nicht richtig da zu sein. Ich fühlte mich während dieser Tage in Hamburg immer noch wie eine Fremde, wie, als wäre ich noch gar nicht in Deutschland angekommen. Dauernd war ich verwirrt davon, dass die Leute um mich rum wieder Deutsch reden, dass ich nicht mehr dauernd Menüs, Schilder usw. übersetzen muss, und dass ich nicht mehr Englisch reden muss, um meinen Alltag zu meistern.
(An dieser Stelle musste ich den Eintrag abbrechen, weil mein Laptopakku leer war)
Fortsetzung: 23.06.2023, Bahnhof Bologna Centrale
Während meiner Reise war ich allerdings nicht nur am Urlauben und Friends besuchen, sondern musste auch Klausuren vorbereiten (der Grund, warum ich diese Zeilen gerade aus Italien tippe) und hatte ein paar Online-Bewerbungsgespräche für Werkstudi-Jobs. Erfolgreich übrigens, dazu später mehr. Hamburg war jedenfalls cool. Noch cooler war es, mal wieder in einem arabischen Supermarkt einkaufen zu gehen, und abends bei Kalil und Kristina in der Wohnung Israelisch zu kochen. Ich lieb's, wie vielfältig das Essen in Deutschland in den letzten Jahren dank Migration geworden ist! Hab in Hamburg viel Zeit am Wasser verbracht, aber auch mit Steffi in der Uni-Bib, da wir beide uns in unterschiedlichen Stadien der Masterarbeit befinden - ich noch in den Anfängen, sie im Endspurt. Work-Life-Balance kann ich. ;) Mir hat's die Stadt und die entspannte, liebe Art der Hamburger*innen jedenfalls angetan, und kann es mir durchaus vorstellen, dort mal eine kleine Lebensstation zu verbringen. War jedenfalls nicht mein letzter Besuch!
Station 2: Bärchenzeit in Bonn
Wer mich schon länger kennt, weiß, dass die Carina bzw. das Bärchen einen maßgeblichen Teil meiner Bachelorzeit in good ol' Passau bereichert und geprägt hat. Gemeinsam sind wir durch unser erstes WG-Erlebnis gegangen, haben gemeinsam unsere Quietschie (Passau-Slang für Erstsemester)-Struggles und generell jedes Problemchen in Besuchen bei dm ertränkt, und haben dadurch über die Jahre eine schöne, inspirierende und tiefe Bärchen-Bindung aufgebaut, die auch Carina's Wegzug aus Passau und meine Dauermobilität verkraftet hat. Bonn, seit 2018 neues Carina-Bärchen-Domizil, habe ich daher schon einige Male besucht, und jedes Mal war es eine schöne, lustige und entspannte Zeit. An Freundschaften wie der mit Carina gefällt mir, dass man sich nicht fremd wird - selbst, wenn man über längere Zeit nicht viel voneinander hört. Sobald man sich wieder sieht, wird der Schalter wieder umgelegt, und alles fließt natürlich vor sich hin. Wir sind halt ein bärchenstarkes Team. Der Stopp bei Carina in Bonn war daher eine super Gelegenheit, um meine Batterien aufzuladen und mich mental auf die Rückkehr nach Bayern vorzubereiten. Danke dafür <3
Station 3: Eberswalde/Berlin
Berlin war schon die ganze Zeit ein richtiges Buzzword für mich - ich war nämlich bisher nur einmal mit 16 in Berlin, als Schulausflug. Dadurch, dass Berlin ja DIE Stadt ist für alle, die gerne "alternativ" sind (und dadurch dann doch wieder alle gleich, paradox, ne?), war ich ultra neugierig auf den Stopp hier. Letztendlich kam es dann so, wie es gerne mal kommt, wenn ich unterwegs bin: Nämlich ganz anders. Untergekommen bin ich nämlich nicht in Berlin, sondern in Eberswalde, bei Maria, einer Freundin, die ich durch meine ehemalige Casa-Poggi-Mitbewohnerin Lily kennengelernt habe. Maria hatte schon im Vorfeld fleißig die Werbetrommel für Eberswalde gerührt, Natur pur und lässige Leute versprochen, und was soll ich sagen: Sie hatte zu 1000% recht. Eberswalde war der Hammer! Ein kleines Städtchen mit einer Hochschule für nachhaltige Entwicklung, eine wunderschön entspannte, links-grüne Studi-Bubble, viel Wald, viel Wasser, ostdeutsche FKK-Kultur beim Baden (voll mein Ding :D)... Maria lebt ein bisschen außerhalb von Eberswalde, mitten im Grünen, und wir haben unsere Tage damit verbracht, durch die Gegend zu radeln, um beispielsweise eine kleine Bier-Brauerei (juhu), schöne Fleckchen in der Natur, Lesestunden am Fluss, Pizzaparties im Grünen, eine Yogastunde bei einer Freundin von Maria in einer Jurte, und und und zu besuchen. Eberswalde ist wie ein Parellel-Universum, in dem alles irgendwie locker-vom-Hocker funktioniert. Was maßgeblich auch an Maria's gelassener Art lag. :) Wie schon während der ganzen Reise waren es mal wieder die Leute, die jeden Ort für mich zu etwas Besonderem gemacht haben - das Salz in der Suppe halt. Musste mich an meinem letzten Tag vor der Abreise schon direkt dazu zwingen, nach Berlin reinzufahren, um auch dort auf Erkundungstour zu gehen. Ein Tag reicht natürlich bei Weitem nicht nach Berlin, aber das Kulturkaufhaus, Mustafa's Gemüsekebap, der Victoriapark, der Bergmannkiez und Iced Coffee an der Spree haben auf jeden Fall gereicht, um mein Herz höher schlagen zu lassen. Berlin ist nice, aber wäre mir auf Dauer doch etwas zu hektisch. Da schon eher Hamburg, wenn's um Städte jenseits des Weißwurscht-Äquators geht.
Finale? Leberskirchen
Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich bis zum letzten Tag nicht bereit für meine Rückkehr. Wann ist man das schon? Mich hat in den letzten Monaten zunehmend die Frage danach beschäftigt, wo ich hingehöre. Ich brauche wieder einen Platz, an dem ich mich niederlassen kann, der mir Halt gibt, aber mich dennoch nicht stagnieren lässt. Leberskirchen ist für mich ein Ort, an dem ich immer wieder gerne zurückkomme, meine Batterien auflade, die Seele baumeln lassen kann, weil ich weiß, dass dort niemand irgendwohin geht, und alles im Großen und Ganzen beim Gleichen bleibt. Klar verändern sich das Dorf und seine Menschen, aber alles im Rahmen einer wohltuenden Vorhersehbarkeit. Nichts überrascht mich in Leberskirchen, diesem Ort, in dem ich aufgewachsen bin, an dem ich blind meine Wege durch die umliegenden Wälder und Wiesen beschreiten kann, in warmen Sommernächten an versteckte Badestellen an der Vils radle, ohne Konzessionen Dialekt reden kann, mit meinen Freundinnen im Dirndl Volksfeste und Co. in der Umgebung unsicher mache, im Winter stundenlang mit Kater Paulchen und einem Buch, meistens ausgeliehen von meiner Nachbarin Ingrid, eingekuschelt auf der Couch rumhänge, und nach durchzechten Nächten mit meinem Bruder in dessen Wohnzimmer vor mich hin vegetiere. Es ist schön, dass ich nach wie vor ein niederbayerisches Dorfkind bin, aber in den letzten Jahren bin ich so vielen mehr Facetten meiner Persönlichkeit begegnet, die ich im Dorf nicht ausleben kann. Nicht deshalb, weil ich mich vor Verurteilung fürchte, denn was andere Leute von mir halten, ist mir herzlich egal. Aber wenn ich längere Zeit da bin, verkrieche ich mich zunehmend in dieser Komfortzone, die mir das Dorf bietet, rolle mich zusammen und mach die Augen zu. Und das will ich nicht, denn es würde bedeuten, nicht mehr sehen zu können, was sich in dem Leben, das ich mir die letzten Jahre durch Studium und Reisen aufgebaut habe, abspielt. Meine Ankunft in Leberskirchen war superschön. Gleich am zweiten Tag mit Freund*innen ins Volksfest, BierBierBier, Tagesausflug zum Wandern in die Chiemgauer Alpen, Kaffee am Morgen auf der Terrasse bei meinen Eltern, mittags mit Kräutern (und bald wieder Gemüse) aus Mama's Garten kochen, abends beim Gießen helfen, die Vils. Das Basisrezept für einen Sommer in Niederbayern, natürlich mit ganz vielen kleinen Details, die dem Ganzen noch mehr sanfte Würze geben. Leberskirchen ist meine liebste Zwischenstation auf der Welt, aber schon vor meiner Rückkehr war mir klar, dass ich meine Eigenständigkeit brauche. Ich habe mich seit 2016 viel zu sehr daran gewöhnt, in WGs mit anderen jungen Menschen zusammenzuleben, mit denen ich mich austauschen kann und neue Inputs bekomme, meinen Lebensalltag nach meinem Rhythmus zu gestalten und alles selbst zu organisieren. Mir war also schnell klar: Ein Job muss her, und ein WG-Zimmer oder einfache Wohnung. Beides habe ich mittlerweile gefunden, weshalb ich Anfang Juli nach Kufstein ziehe und von dort aus zweimal pro Woche nach München für meinen neuen Werkstudi-Job bei Fraunhofer pendle, während ich parallel meine Masterarbeit schreibe. Wie lange ich in Kufstein bleibe, wo es mich letztendlich mal über kurz oder lang hin verschlägt, weiß ich jetzt natürlich noch nicht, aber ich freue mich sehr auf einen Sommer in den Bergen bei Lisa, Lugge & Co in der Hütten-WG. <3
Fortsetzung abends, Florenz.
Es schließt sich der Kreis: Ravenna
Die letzten Tage habe ich tatsächlich wieder unter der italienischen Sonne in Ravenna verbracht (endlich ohne roten Heinrich, stattdessen wie gehabt mit meinem geliebten deuter-Handgepäcksrucksack und vietnamesischer Dong Dong Bag), weil ich noch die beiden letzten Klausuren meines Masters zu bestehen hatte. Mit dem Ergebnis, dass ich eine davon im September nochmal antrete, weil ich die Prüfung ehrlich gesagt unterschätzt hatte und meine Vorbereitung auf die andere Prüfung mit mehr ECTS fokussiert hatte. Nun ja, passiert, geht's halt im September nochmal nach Ravenna. Jedenfalls habe ich die letzten vier Tage an dem Ort verbracht, an dem vor einem Jahr das ganze Abenteuer begonnen hat. Ich hab nicht alle, aber viele der Menschen wieder gesehen, die mein Leben in Ravenna zu dem gemacht haben, was es war, und immer noch ist. Diese Vertrautheit, mit der ich hier durch die Straßen Ravenna's laufe, kann man mir so schnell nicht nehmen, genauso wenig wie etwas in mir drin aufblüht, wenn ich jemanden Italienisch reden höre oder selbst Italienisch spreche. Und noch stärker intensiviert hat sich in mir dieses Gefühl, als ich meine ragazze wieder in die Arme schließen durfte, sprich Bashka, Dalia, Laura und Lily, und als ich zum ersten Mal seit einem Jahr wieder meine ehemalige WG, die Casa Poggi, betreten habe. Einerseits fühlt es sich an, als wäre ich nie fort gewesen aus Ravenna, als wären die letzten Monate innerhalb eines Wimpernschlags verstrichen, und gleichzeitig sind in der Zwischenzeit zahlreiche Leute weggezogen, hingezogen, auf Reisen, auf Arbeitssuche, bereits am Arbeiten, oder haben sonst auf irgendeine Weise das Gesicht der Stadt im Kleinen verändert. Ravenna ist nicht meine Zukunft, aber auf gewissen Weise noch meine Gegenwart. Und auch Bologna irgendwie. Die Stadt ist zu meinem Dreh- und Angelpunkt geworden, der Besuch Caffè VyTa in Bologna Centrale mein Ritual, bevor es wahlweise nach Ravenna, Vilsbiburg, oder auf Besuch zu anderen Freund*innen in Italien geht, wie heute nach Florenz. Ich sehe mich erst einmal nicht längerfristig in Italien, aber wegdenken lässt sich das Land auch nicht mehr aus meinem Leben. Es ist Privileg und Krux zugleich, so viele Zuhause zu haben. Sie füllen mich und leeren mich zugleich, sie reißen an mir und setzen mich wieder zusammen. Die Zuhause katapultieren Erfahrungen in mein Leben, mit denen ich nie gerechnet hätte, lassen mich beim Abschied weinen und bei der Rückkehr erbeben vor Freude. Die letzten Jahre haben mir viele Zuhause geschenkt. Und diese Zuhause sind keine Orte, sondern Menschen. Ein geographisches Zuhause finden daher umso schwieriger. Dafür braucht es wahrscheinlich tausend Arme, die mich festhalten können. Aber kommt Zeit, kommt Rat.
Es hat mir viel Spaß gemacht, meine kleinen Stories, Anekdoten, Gedanken und Gefühle aufzuschreiben. Mal Blödsinn hier zu quatschen, dann wieder ernst oder cheesy zu sein. An Blogprojekten rumzubasteln ist schon seit Jahren ein Hobby von mir, vielleicht fällt mir ja demnächst ein Format ein, in dem ich das alles hier weiterführen kann, über das Abenteuer der letzten Monate hinaus. Ich hoffe, dir hat das Lesen ähnlich viel Freude bereitet wie mir das Schreiben. Vielen Dank, dass du den Blog verfolgt hast, egal ob du jeden Artikel gelesen hast oder sporadisch reingeguckt hast. Damit bist du auch einen Teil des Weges mit mir gegangen. Und natürlich Danke an all die tollen Menschen, die "wirklich" dabei waren während der letzten Monate, von Nepal über Kambodscha, Thailand, Deutschland, Finnland, Estland, Schweden bis hin zu schlussendlich Italien. Und Danke natürlich an diejenigen, die schon sehr lange wissen, was für ein Wandervogel ich bin, nämlich meine Freund*innen und meine Familie, die auch aus der Ferne immer da waren und mir den Rücken gestärkt haben. Ganz viel amore geht raus! <3
Bacioni,
Vronal







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