18 Via degli Dei - Doch no ned FIN (DE)
(Biblioteca a Chiavari)
Prokrastiniere ich gerade meine Masterarbeit, indem ich diesen Eintrag schreibe? Möglicherweise. Ist es dennoch richtig und wichtig, mal wieder von der Leber weg, ohne akademisches Blabla zu schreiben? Definitiv. Vor allem nach den letzten Tagen, die ich - Überraschung - mal wieder in Italien verbracht habe. Weil ich Ende Juni ja die letzte Klausur meines Masters verballert habe, mich daher nochmal dafür angemeldet und ein Zugticket nach Ravenna gebucht habe, und diese Klausur letzte Woche nochmal, dieses Mal recht erfolgreich, absolviert habe. Und ein guter Aufhänger, um mal wieder meine Leutis in Ravenna zu treffen. <3 Keine Klausuren mehr außer der Masterarbeit! Ein bizarres Gefühl, weil ein Teil meines Lebens seit der Einschulung davon bestimmt war, dass mich zuerst Lehrkräfte, dann Uni-Dozierende, validieren und mir kleine schwarze Zahlen mit auf dem Weg geben, die das ganze Bewertungsprozedere festhalten - und diesen Zahlen misst man dann doch oft mehr Wert bei, als man es sich selbst eingestehen möchte. Wird auf jeden Fall interessant, wenn ich nach der Verteidigung meiner Masterarbeit eine Lebensphase beginne, die komplett anders funktioniert.
Einen kleine Vorgeschmack auf diese Lebensphase habe ich diesen Sommer übrigens bekommen, den ich ja in Kufstein in der Hütten-WG verbracht habe. Meine WGler*innen Lisa, Lugge und Emil arbeiten nämlich schon alle, und zwar Vollzeit. Das Zusammenleben mit den drei hat mir definitiv die Angst davor genommen, dass Vollzeit-Jobs gleichbedeutend mit Monotonie und Spießertum sind - zumindest ist das in Kufstein nicht der Fall. Nach der Arbeit noch zum Kletterfelsen? Oder Trailrunning? Oder eine Feierabendbergtour? Oder doch noch Bouldern? Hauptsache raus, und zwar nicht nur für einen Spaziergang um den Block! Diesen Sommer habe ich jede Menge Kraft und Energie getankt, sowohl körperlich als auch mental, und mich voll und ganz auf diesen lässigen Kufstein-Berg-Lifestyle eingelassen, der mich regelmäßig auf eine sehr gute Art aus meiner Komfortzone rausgeholt hat, ohne dafür tausende von Kilometern mit dem Flugzeug um die Welt zu jetten. Eigentlich war die Idee ja, nur den Sommer in Kufi zu verbringen, und dann mal zu gucken, ob sich was tut hinsichtlich eines WG-Zimmers oder einer Wohnung in München. Weil näher am Schreibtisch bei Fraunhofer (den ich aber eigentlich nur einmal pro Woche in Präsenz besuche), mehr Kulturangebot und so. Irgendwie hat sich aber im Laufe des Sommers rauskristallisiert, dass ich erstmal in Kufstein bleibe. Weil's einfach so gut tut und viel mehr Gründe für Kufstein als für München sprechen aktuell. Ein WG-Zimmer ab Oktober hat sich bereits gefunden (die Hütten WG war leider nur zur Zwischenmiete möglich), und es stimmt mit diesem Zimmer einfach alles: Gleich neben dem Aufstieg zum Kaisertal, spanischsprachige Mitbewohnende (perfekte Vorbereitung, um Mathilde in Ecuador zu besuchen :) ), die WG befindet sich in einem alten Bauernhaus und dazu gibt es EIN YOGASTUDIO IM NEBENGEBÄUDE! Na, wenn das kein Zeichen ist...In Kufstein hab ich eins gemerkt: Ich kann mich erden, ohne meine Freiheit und Unabhängigkeit aufgeben zu müssen. Ganz lang habe ich gedacht, dass das nicht möglich ist. Aber ja, der Sommer in Kufstein hat mir auf vielen Ebenen gezeigt, dass es durchaus funktioniert. Und glücklich macht. Statt nach der Reiserei der letzten Jahre in ein Loch zu fallen, geht es mir einfach richtig, richtig gut hier.
Wie dem auch sei, für diese letzte Klausur im Master bin ich nicht wie sonst im smart-casual-Italien-Look im Palazzo Verdi in Ravenna angetanzt, sondern mit Trekkingschuhen, Wanderrucksack und Funktionsoutfit, weil die Mathilde, die Chiara (eine Freundin aus Chiavari) und ich was vorhatten. Eine Fernwanderung nämlich. Und zwar nicht irgendeine Fernwanderung, sondern den Via degli Dei. Der Weg der Gött*innen führt über 130 km von Bologna nach Florenz, quer durch die Appeninen Emilia-Romagnas und der Toskana. Das Vorhaben steht schon recht lange, und jetzt, da die Mathilde sich in wenigen Wochen für ein Jahr nach Ecuador vertschüst und ich kurz vorm Studienabschluss stehe, wurde es Zeit, den Plan endlich in die Tat umzusetzen. Inspiriert von Mathildes ragazzo Jil btw, der bereits vor 3 Jahren den Via degli Dei abgewandert ist. Der Plan war also: Kluges Zeug von mir geben in der Klausur, das Ding passabel bestehen, die Bashka, die mich sehr liebevoll gehostet hat in Ravenna, verabschieden, und dann gleich den nächsten Zug nach Bologna nehmen!
Draußen unterwegs bin ich ja wirklich viel im Allgemeinen, während des Sommers in Kufstein nochmal mehr natürlich. Aus Jil's Erzählungen war mir klar, dass der Via degli Dei schön ist, was Besonderes. Aber dadurch, dass ich schon so viel mehrtägige Outdoor-Abenteuer erlebt habe, hatte ich nicht die Erwartung, dass mir diese Wanderung was Neues zu bieten hat - ich kenne Emilia-Romagna, ich kenne die Toskana, ich kenn Sprache & Kultur, ich war in der Region schon mehrmals Wandern, jetzt halt dasselbe, nur über mehrere Tage hinweg, mit Zelt im Gepäck. Ja, und jetzt sitzen die Mathilde und ich in der Stadtbibliothek in Chiavari - gestern Abend sind wir von Florenz aus mit dem Zug nach Ligurien gefahren - und sind beide noch absolut geflasht. Ich hoffe jetzt mal, dass dieser Eintrag mir dabei hilft, die ganzen Eindrücke etwas zu sortieren. Also starten wir mal bei Tag 1 der Wanderung.
Etappe 1 - von Bologna, Piazza Maggiore bis kurz vor Badolo [19 km]
Da meine Klausur spontan auf Donnerstagvormittag statt Mittwochvormittag gelegt wurde, konnten wir den Via Degli Dei nicht bereits Donnerstagfrüh starten, wie ursprünglich geplant. Stattdessen bin ich erst Donnerstagmittag in Bologna Centrale eingetrudelt, wo Mathilde und Chiara bereits auf mich gewartet haben. Beide sind kurz davor aus Chiavari angekommen. Um die 20 Kilometer lagen noch vor uns bis zum ersten Etappenziel, Badolo. In Bologna mussten wir dann kurz noch Snacks kaufen und ein kleines Büchlein über den Via degli Dei (welches sich als sehr praktisch erwiesen hat), bevor es richtig losging. Ich hatte richtig viel unnötigen Krempel dabei: Meinen Laptop inklusive Kabel, meine Agenda, Klamotten zum Ausgehen (Italien halt)... und damit den schwersten Rucksack. Fünf Tage bei spätsommerlichen Temperaturen damit durch Norditalien marschieren - klasse. Mit dem ganzen Kram durch Bologna mit all den Leuten zu laufen war etwas unbequem, aber Richtung il Santuario di San Luca hat sich das Feld langsam gelichtet, und innerhalb kürzester Zeit waren wir da wo wir sein wollten - draußen. An das Laufen mit dem schweren Rucksack habe ich mich, wie auch in Nepal, schnell gewöhnt. Vor ziemlich genau einem Jahr um die Zeit waren Manfred und ich ja gemeinsam zwei Wochen im nepalesischen Himalaya unterwegs, und da war es genauso. Um die zwei Stunden sind wir so vor uns hingelaufen, wie wenig wir da noch davon wussten, was noch alles vor uns lag - an Menschen, denen wir begegnen würden, an Orten, Emotionen. Tja, und nach diesen zwei Stunden begegneten wir den vier Wesen, die diese Wanderung zu dem machen würden, was sie letztendlich war: Ale und ihre drei Hunde Gypsy, Lucky und Moon. Mathilde und Chiara hatten sie schon vor meiner Ankunft in Bologna gesehen, und nun waren wir kurz davor, sie einzuholen. Wir kamen ins Gespräch mit Ale und erfuhren so, dass sie aus der Nähe von Varese (einer Stadt im Nordwesten der Lombardei) kommt, lernten ihre Hunde kennen... und beschlossen ohne großes Tamtam, dass wir den Via degli Dei alle gemeinsam gehen würden. Vier junge Frauen, drei Hunde als Begleitung. Kann man sich denken, dass wir quasi die Stars der Wanderung waren. Ich weiß noch, wie endlos lang uns diese erste Etappe vorkam, wie wir einfach nur ankommen wollten und unser Zeitgefühl noch mehr im durchgetakteten Alltag, in dem alles schnell gehen musste, verankert war. Am letzten Tag war eine Etappe von 20 km für uns etwas, was wir als "chilligen Tag" bezeichnen würden. Wir schafften es nicht nach Badolo an diesem ersten Tag, weil es drei Kilometer vor Badolo zu dunkel wurde und wir ja noch die Zelte aufbauen mussten. Wir fanden eine Wiese mit Blick auf das ganze Tal, der schönste Campingplatz der ganzen Tour. Es war recht warm, also beschloss ich, unter freiem Himmel zu schlafen. Es war eine sternenklare Nacht, zu schön, um wahr zu sein... Bis irgendjemand weiter unten im Tal auf die Idee kam, einen Technorave zu starten und die Musik so laut aufzudrehen, dass es bis zu uns raufballerte. Schönstes Ambiente, aber von Naturgeräuschen keine Spur mehr. Von Schlaf auch eher wenig, bis dann um halb drei Uhr morgens mal Ruhe war. Ein bisschen Schlaf bekamen wir dann doch alle ab, und bei Sonnenaufgang wurde ich davon geweckt, dass mich Moon mit seiner Hundenase anstupste und meine Nähe suchte. Schee.
Etappe 2 - Badolo - Brento - Monzuno [19 km]
Dieser Tag war für mich der herausforderndste. Nicht, weil die Etappe an sich zu anstrengend gewesen wäre, fit bin ich ja schon. Aber. Wir hatten nichts zu essen, außer ein paar Keksen, Maiswaffeln, Müsliriegeln, Trockenobst und Magnesiumtabletten. Man verhungert nicht damit, aber nahrhaft und frisch ist was Anderes. Ein alimentario musste also her. In guter Hoffnung, in Brento, dem nächsten Dorf, einen Lebensmittelladen, eine Bar oder ein Ristorante zu finden, stiefelten wir also kurz nach Sonnenaufgang los. Sind ja schließlich in Italien hier, wo gutes Essen ja wirklich keine Mangelware ist. Der Marsch nach Brento war schon relativ zäh, landschaftsmäßig waren schon schöne Passagen dabei, z.B. der Monte Adone, aber ich nahm das alles nach einiger Zeit nicht mehr so wirklich wahr, weil mir der Mangel an "richtigem" Essen körperlich und mental zu schaffen machte - am Tag zuvor hatten wir uns abends bereits auch schon von dem ganzen trockenen, verarbeiteten Zeug ernährt. Wir fingen schon an, von all dem zu fantasieren, was wir uns in Brento als Brunch gönnen würden - Spremuta, Kaffee, frisches Obst, Pasta, Panini... In Brento angekommen, dann die große Ernüchterung: Das einzige Restaurant im Ort war in den Ferien, die Caffè-Bar würde erst spätnachmittags öffnen. Man empfahl uns, 4 Kilometer weiter zu gehen, da gäbe es dann in Selve eine Bar, die möglicherweise geöffnet hätte. Well, die Stimmung war dementsprechend im Keller. Aber uns blieb nichts anderes übrig als weiterzugehen. Viele Wegabschnitte führten über asphaltierte Straßen, was angesichts der Hitze echt nicht nice war, und für die Hunde war's auch gefährlich, da die Autofahrer*innen auch nicht wirklich Rücksicht nahmen. Kurz gesagt: Spaß machte dieser Abschnitt nicht wirklich, weil wir mittlerweile nur noch darauf ausgerichtet waren, irgendwie Essbares aufzutreiben. Wir kamen wirklich alle auf dem Zahnfleisch daher. Es waren nicht übrigens 4 Kilometer bis zur Bar in Selve, sondern 8. Und die Bar in Selve hatte natürlich auch geschlossen. Also weiter nach Monzuno, kurz nach Selve. Und dort, nach mehr als 15 Kilometern Wanderung, fanden wir spätnachmittags eine geöffnete Bar, in die wir uns schleppten und wo wir die Restbestände an Pasta und Panini aufaßen, uns ein schönes kalten Bier gönnten und langsam wieder lebensfähig wurden. Die Stimmung wurde instant besser, was auch den unglaublich netten Locals geschuldet war. Natürlich wurden wir von irgendwelchen alten Dudes, die sich in der Bar ihre Feierabendhalbe gönnten, angequatscht, aber auch von Dulio, der in der lokalen Bibliothek arbeitet und wirklich viel für Monzuno's Soziokultur macht. Wir hatten ein sehr cooles Gespräch mit ihm und bekamen viele Tipps und Empfehlungen von seiner Seite. Gleich neben der Bar gab es einen ebenfalls geöffneten Supermarkt, wo wir uns endlich mit frischen Lebensmitteln eindecken konnten. Außerdem wurde uns erlaubt, für 6 € pro Person auf dem Dorfsportplatz mit Panoramablick zu campieren und dort auch die Duschen und Waschbecken zu nutzen - Träumchen nach zwei Tagen ohne Dusche! Monzuno fing uns richtig auf mit seiner Freundlichkeit und Gastfreundschaft, eine richtige Wohltat nach den Strapazen des Tages.
Etappe 3 - Monzuno - Madonna dei Fornelli - Monte di Fo [30 km]
Eigentlich war Madonna dei Fornelli unser Etappenziel für Tag 2, aber auch offensichtlichen Gründen war wir am Ende von Tag 2 zu durch, um die fehlenden 11 Kilometer von Monzuno nach Madonna dei Fornelli zurückzulegen. Es war definitiv eine gute Entscheidung, sich in Monzuno zu stärken. Wir starteten gut ausgeruht, mit einer guten Essensversorgung und guten Monzuno/Dulio-Vibes im Gepäck in Tag 3 - und marschierten hoch motiviert Richtung Madonna dei Fornelli, wo es geöffnete Infrastruktur gab und wir uns erstmal ein zweites Frühstück gönnten, ganz klassisch mit Brioche, Cappucco und Saft. Sehr verdienet nach dem kleinen Trauma von Tag 2. Was auch neu war an Tag 3: Wir beschlossen, länger Mittagspause zu machen und uns Zeit für ein Nickerchen, zum Stretchen oder einfach zum Relaxen zu geben. Hat sich im weiteren Verlauf des Via degli Deis als echt grandiose Idee erwiesen. Die wunderschöne Landschaft konnten wir nun auch wieder besser genießen, und unsere Gruppendynamik pendelte sich wunderbar ein. Da vier Leute nun mal nicht alle dasselbe Tempo gehen können, war es oft so, dass ich ein Stück vorausging. Gypsy, manchmal in Begleitung von Moon, holte mich dann immer mal wieder ein, um zu gucken, ob es mir gut ging - was für mich das Zeichen war, stehen zu bleiben und mit den Hunden auf den Rest der Truppe zu warten. An sich bin ich ja ein Katzenmensch, aber ich kann es irgendwie auch ganz gut mit Hunden, was sich darin bemerkbar macht, dass sich Hunde aus irgendeinem Grund gerne auf meine Füße setzen und generell meine Nähe suchen. Eigentlich kann man vom Umgang mit Tieren sehr viel in Bezug auf den Umgang mit Menschen lernen. Wenn ein Tier eine Beziehung zu dir aufbaut, ist es einfach so. Ungezwungen, ohne Kalkül, ohne Hintergedanken. Erzwingen kann man es nicht, es kommt einfach natürlich. Du kannst deinen Hund, deine Katze oder sonst irgendein nicht-menschliches Lebenwesen nicht dazu bringen, dich zu mögen. Sie tun's, oder sie tun's nicht. So einfach ist das, und so ist es auch mit Ale's Hunden. Wenn ich irgendwo im Gras lag, ist Gypsy regelmäßig zu mir gekommen und hat sich angelehnt, sich in meinen Arm gekuschelt... Ein tolles Tierchen einfach. Lucky ist bereits etwas älter, Ale hatte ihn immer angeleint bei sich. Er ist ein bisschen dezenter und zurückhaltender, aber auch recht verschmust, sobald man ihn besser kennt. Ein Hunde-Opa quasi, der aus dem Hintergrund die Kontrolle behält. Ja, und dann ist da noch Moon, der Wolfshund. Und Moon ist ganz schnell meine amore geworden in diesem Italientrip. Dieses Wölfische an ihm hat mich ungemein fasziniert. Moon ist ebenfalls etwas ruhiger als Gypsy, etwas reservierter. Aber wie oft er seinen Kopf auf meinen Knien abgelegt hat, oder gestern im Auto zu Chiara's Haus von hinten auf meine Schulter. Diese Bindung zu Tieren habe ich schon immer, aber gerade diese Tage ununterbrochen in der Natur mit drei wunderbaren Hunden haben es mir wieder bewusst gemacht, wie sehr ich Tiere in meinem Leben brauche. Und man hat auch gemerkt: Diese drei Hunde brauchen Ale, aber Ale braucht sie genauso. Ale merkt man diesen besonderen Bezug zu Tieren auch sehr stark an, und es war schön, das auf dieser Wanderung mit ihr teilen zu können.
An Tag 3 haben wir jedenfalls die Grenze von Emilia Romagna zur Toskana überschritten - Florenz schien uns zum Greifen nahe! Unser Tagesziel war Monte di Fo. Leider machte sich bei den Abstiegen Chiara's Knie bemerkbar. Sie konnte es nicht mehr wirklich beugen und es schwoll an. Der Via degli Dei war Chiara's erste Mehrtageswanderung, und obwohl sie sonst recht fit ist, war das schwere Gepäck wohl doch etwas zu viel für sie. Eis, Schmerzsalbe, irgendwas zum Stabilisieren wäre also prima. Hätte schwören können, Arnikasalbe eingepackt zu haben, aber dem war wohl nicht so, und der Rest der Truppe hatte auch nichts in der Art dabei. In Monte di Fo angekommen, hofften wir daher auf ebenso nette Leute wie in Monzuno. Leider hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Monte di Fo besteht aus einem Restaurant, einer Bar und einem Campingplatz, inklusive einem Platzhirsch/Grantler, der versucht, das alles zu dominieren. Und dem wir als nicht zahlende Camper*innen ein Dorn im Auge waren, obwohl wir abends in der Pizzeria gegessen haben. Zu sagen, dass der Typ unfreundlich zu uns war, ist noch untertrieben. Seine Kollegin war zum Glück etwas netter und hat der Chiara ein bisschen Eis mitgegeben, um ihr Knie über Nacht zu kühlen, und mit meinem Erste-Hilfe-Set haben wir ihr noch einen leichten Verband angelegt. Dieses Mal war unser Campingspot leider nicht so schön - von einer Wiese weiter oben hat uns bereits erwähnter Camping-Stronzo verscheucht (sein "prato privato") und uns angewiesen, die Wiese neben der Straße zu nutzen. Windig war's auch, dementsprechend war die Schlafqualität in dieser dritten Nacht eher wieder mau. Die Füße haben mir zunehmend geschmerzt, eh klar, und auch die anderen ragazze klagten über müde Beine, Rückenschmerzen, und und und. Die Hundis waren auch ziemlich cotti. Naja, keine große Überraschung bei so einer Tour. Aber es war mal wieder erstaunlich, wie schnell man so als Gruppe zusammenwächst, wenn man gemeinsam auf Reisen ist. Ale, Gypsy, Lucky und Moon sind uns innerhalb kürzester Zeit richtig ans Herz gewachsen, und die Verbindungen, die man durch so ein Abenteuer knüpft, sind absolut einmalig. Einfach nur schön.
Fortsetzung 13.09.2023, Nachtzug Rapallo - Rosenheim
Etappe 4 - Monte di Fo - Sant' Agata - San Piero a Sieve [28 km]
Penultima tappa! Mittlerweile merkte man den Hunden deutlich an, dass auch sie müde wurden. Am ersten Tag sind sie bei jeder Pause noch hoch motiviert voraus gelaufen, am vierten Tag des Via degli Dei haben sie jede Pause genutzt, um sich auf den Boden zu legen und einen Powernap zu halten, selbst, wenn es nur fünf Minuten waren. Uns steckten die vergangenen Tage, die mal mehr, mal weniger erholsamen Nächte im Zelt, das Gepäck und die täglich länger werdenden Distanzen auch in den Knochen. Jeden Abend redeten wir uns eigentlich ein: "Okay, morgen wird es relaxter", was sich aber nie bewahrheitete. Aber man merkte schon, wie wir uns blitzschnell an unseren Tagesablauf aus Aufstehen - Camp abbauen - die ersten 10-15 Kilometer marschieren - Siesta - nochmal 10-15 Kilometer marschieren - Abendessen - gewöhnte. Ein richtiger Flow. Meine Füße konnten schon gar nicht mehr stillstehen, und oft, wenn ich allein oder mit Moon und Gypsy im Schlepptau voraus lief, musste ich mich teilweise zwingen, stehen zu bleiben. Mein Kopf hatte komplett Sendepause mittlerweile, und trotz der Schmerzen in den Füßen und im Rücken war ich komplett energetisiert. Chiara's Knie ging es leider noch nicht recht viel besser. Beim Bergabgehen humpelte sie, um es zu entlasten. Wir fingen an, zu überlegen, wie wir damit umgehen sollten - es wäre doch unmöglich, sie bei der letzten Etappe nach Firenze, die im Guide als "molto impegnativo" beschrieben wurde, mitzunehmen. Spaß würde ihr das auch nicht machen. Wir schoben den Gedanken aber beiseite und konzentrierten uns auf die Vormittagswanderung, die sich mal wieder als länger herausstellte, wie von Komoot vorgeschlagen, aber landschaftlich echt schön war. Schattige Wälder, immer wieder Ausblick auf die Appeninen mit den Zypressen, wie man es halt kennt, Obst- und Gemüsefelder. Sehr nette andere Wanderer, manche bereits bekannt, manche noch nicht. Wie immer viel Aufmerksamkeit für uns bzw. in erster Linie für "unsere" Hunde. Diese kurzen Gespräche mit anderen Menschen auf dem Via degli Dei waren auch so kleine mentale Kraftpakete - man merkt, dass man gemeinsam durch diesen Gefühlsmix aus Ruhe, Anstrengung, Leiden, Glück, Kontemplation und Leichtigkeit navigiert. Ich weiß nicht, warum, aber diese Wanderung hat mich persönlich um einiges weiter gebracht. Mehrtageswanderungen mache ich ja doch recht häufig, darum ist es schwer zu sagen, woran es liegt. Vielleicht auch an mir, die sich gerade in diesem Limbo zwischen Studium und Berufseinstieg befindet, die gerade einige Fragen ans Leben hat, aber nicht zwanghaft auf Antworten wartet.
Mittags machten wir halt in Sant'Agata, einem sehr süßen Dörfchen in der Toskana, umgeben von Olivenhainen, Paprika- und Tomatenfeldern (von denen wir zugegebenermaßen ein bisschen klauten, weil wir solche Gravings auf frisches Gemüse hatten). Diese Sieste war meine Lieblingssiesta. Wir lagen im Gras, aßen, genossen, und hielten ein Nickerchen. Gypsy kuschelte sich in meinen Arm, vergrub ihre Schnauze in meiner Seite, Lucky legte sich auf meine Füße. Schließlich rafften wir uns nochmal auf, um die letzten Kilometer nach San Piero a Sieve zu bewältigen, leider größtenteils auf asphaltierter Straße in der Spätnachmittagshitze. In San Piero a Sieve angekommen, schlugen wir unser Camp am Waldrand in der Nähe einer Wohnsiedlung auf, holten uns Pizza und Bier, und überlegten, wie sich der folgende Tag, die letzte Etappe dieser unglaublichen Reise, wohl gestalten würde. Vor allem hinsichtlich Chiara's Knie, das ja tagsüber immer noch Schwierigkeiten bereitet hatte. Ab Vetta Le Croci, einem der Zwischenziele, gab es ÖPNV nach Firenze. Falls alle Stricke reißen würden, könnte sich die Chiara also einfach auch in einen Bus nach Firenze sitzen und dort auf uns warten. Mathilde war sich nicht sicher, was sie machen würde - sie war körperlich auch durch und würde spontan entscheiden. Ale und ich waren hochmotiviert und konnten es kaum erwarten, die letzte Etappe anzugehen und nach Firenze einzulaufen. Dass Chiara die Tour wahrscheinlich nicht zu Fuß beenden würde, war für uns Fakt. Tja, es kam nochmal ganz anders.
Etappe 5 - San Piero a Sieve - Santuoario di Monte Senario - Vetta Le Croci - Fiesole - (Firenze) [33 km]
Um 4:15 Uhr klingelte mein Handyalarm. Geil! Es ging los! Sonnenaufgangstour! Firenze! Topamoadoro! Draußen war es noch dunkel, eh klar. Mathilde und Chiara waren auch richtig schnell wach und fit. In Ale's Zelt rührte sich - nix. Was war los? Die Antwort kam recht fix, Regelschmerzen, kaum geschlafen. Ale beschloss daher, noch ein bisschen versuchen zu schlafen. Wir sollten schon mal vorgehen. Sie war ja zum Glück nicht allein, ihre Hunde blieben natürlich bei ihr. Chiara, Mathilde und ich stiefelten los, und wurden recht bald mit einem traumhaften Sonnenaufgang belohnt. Wir waren vom Tempo her echt super unterwegs, und Chiara's Knie machte aus irgendeinem Grund keine Probleme mehr. Whatever. Wir waren ratzfatz am Santuario di Monte Senario für die Frühstückspause, und wieder mal die Sorge: Wo bekommen wir was zum Essen? Vetta le Croci - alles geschlossen. Olmu - evtl ein fruttivendolo, aber auch nicht sicher. Kacke. Naja, erstmal im Santuario aufs Klo gehen... und dabei über eine Caffè-Bar stolpern! Die geöffnet hatte! Traum! Ich hab mir erstmal 'nen Espresso reingekippt und ein Brioche geholt. Und jede von uns ein panino da portare via. Geil. Verhungern würden wir bis Fiesole also nicht. Jetzt fingen wir langsam an, dran zu glauben, dass wir es noch nach Fiesole bzw. Firenze schaffen würden. Wir machten uns an den Abstieg Richtung Vetta Le Croci, der irgendwie auch wie im Flug verging. Und auf einmal, von Weitem erkennbar: Firenze. Wow. In dem Moment merkten wir wirklich, was wir da eigentlich getan hatten - zu Fuß von Bologna nach Florenz. Krass einfach. Frisch motiviert weiter nach Vetta Le Croci. Kurze Siesta dort, und letzte salita für den Via degli dei! Ale war mittlerweile auch schon aufgebrochen, ihr ging es schon deutlich besser, und wir verabredeten uns für später in Fiesole. Die letzten Kilometer nach Poggio Pratone bis Fiesole waren dann nochmal etwas zäh, weil warm, weil Asphalt, und Mathilde hatte eine riesige Blase am Fuß, und irgendwann reicht es dann halt auch. Man will ankommen. Trotzdem, diese letzte Etappe war wohl die schönste, nur schade, dass wir sie nicht mit Ale und den Hunden gemeinsam gehen konnten.
Gegen 15 Uhr, nach ziemlich genau 10 Stunden Wanderung, sind wir dann in Fiesole angekommen, und haben uns in die nächstbeste Bar gesetzt, die gleichzeitig auch noch ne super Aussicht hatte. Wir hätten es am Abend zuvor echt nicht geglaubt, dass wir es alle schaffen würden, denn auch Ale war nur noch 2h entfernt von Fiesole. Wir beschlossen, dass Fiesole reichte für uns. Wir wollten dort nämlich auf Ale warten und mit ihr & Begleitung gemeinsam nach Santa Maria Novella fahren - nach dem Asphalthatscher nach Fiesole waren uns nochmal 10 km Asphalt ins Zentrum von Firenze rein einfach zu viel. Und das war auch eine richtige Entscheidung. Ich telefonierte noch kurz mit Francesco, einem Freund aus ERASMUS-Zeiten, der in Firenze lebt und studiert, und verabredete mich mit ihm für später am Bahnhof auf einen Ratsch. Wir buchten unsere Zugtickets nach Chiavari. Der Via degli dei kam langsam tatsächlich zu seinem Ende. Nach einer Stunde in Bar Nummer 1 watschelten wir in Birkenstock statt Wanderstiefeln weiter Richtung Zentrum von Fiesole, wo wir uns ein gelato genehmigten, langsam wieder Leben in uns drei kam, wir ein bisschen quatschten... bis wir von Weitem ein Mädel mit Rastalocken, Trekkingrucksack und drei Hunden im Schlepptau sahen, + einen bis dato unbekannten Dude in unserem Alter, der sich als Marco herausstellte, einem weiteren Wanderer auf dem via degli dei, der Ale Gesellschaft geleistet hatte. Wir bestellten uns alle noch ein Bier, tauschten uns über unsere Erlebnisse aus, und es war einfach nur schön, diese fünf Tage auf diese entspannte und entschleunigte Art und Weise abzuschließen. Statt sich nochmal 10 Kilometer abzurackern, schlüpften wir also in den Fiorentiner ÖPNV, der uns in 0,nix nach Santa Maria Novella brachte. Kurzes Gequatsche mit dem Francesco, Gleis suchen, Abfahrt. Aus diversen Logistikproblemen, die ich jetzt nicht genauer erklären werde, ergab es sich dann, dass Ale und die Hunde eine Nacht in Chiavari verbrachte. War schön, das ganze Erlebnis noch nicht komplett loslassen zu müssen. Am Tag nach unserer Ankunft gingen wir, komplett gegensätzlich zu den letzten Tagen, um 11 Uhr frisch geduscht im Stadtzentrum von Chiavari frühstücken, mit frischen Obst, Cappucco, Spremuta... War bizzarr, sich vorzustellen, dass wir gerade mal 24 Stunden davor unterzuckert mit Trekkingausrüstung, Zelt, einer klebrigen Drei-Tage-Mischung aus Schweiß und Sonnencreme durch die Appenninen gelatscht waren. Mittags brachten wir Ale und ihre drei Sweeties zum Zug, und Mathilde und ich gingen in den dolce-far-niente Modus über. Und arbeiteten daran, unser Kaloriendefizit aufzuholen.
In Chiavari ist's immer schön, da brauch ich jetzt nicht viel drüber erzählen. Meer, ligurisches Gebirge, geiles Essen, gute Freund*innen. Ich mag's, dass ich mittlerweile so ein kleines Parallelleben in Italien habe, das um einiges weniger verplant ist als mein Leben in Deutschland/Österreich. Langsam, aber stetig gleite ich in dieses Leben immer rein, wenige Tage nach Ankunft. Genieße es, wenn mir das Italienische mit jedem Tag leichter von der Hand geht und ich mit jedem Besuch immer mehr verstehe. Diese Sprache hat's mir ja so dermaßen angetan. Ein Teil meines Lebens gehört mittlerweile hierher, genauer gesagt nach Chiavari und nach Ravenna. Es reißt immer noch an mir, an mehr als einem Ort zuhause zu sein. Aber das Reißen, Ziepen, Zerren wird leichter, seitdem ich zunehmend merke, dass mein Lebensmittelpunkt (erstmal) in Bergnähe gehört. Wenn ich eins diesen Sommer gelernt habe, dann, dass wo ankommen noch lange nicht heißt, still zu stehen.
So, jetzt mal Laptop zu und bisschen Musik genießen. Danke für's Mitlesen jedenfalls!
Bacioni,
Vroni









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